Wasserstoffspeicher
Wasserstoff gehört zu den vielversprechensten Energieträgern der Zukunft, da er vollkommen regenerativ hergestellt werden kann. In seiner Reinform ist es nur unter hohem Druck oder bei extremen Minustemperaturen möglich, ihn zu speichern und zu transportieren. Um den Aufwand zu reduzieren und Kosten zu sparen, bietet es sich an, Wasserstoff in organischen Trägermolekülen zu speichern. Erst durch die Bindung an sie bzw. die Umwandlung in sie, ist Wasserstoff unter Normalbedingungen leicht zu handhaben.
Am Energie Campus Nürnbergwird neben der reaktionstechnischen Umsetzung der Wasserstoffspeicherung - vor allem mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger - auch die ökonomische Umsetzbarkeit der chemischen Wasserstoffspeicherung analysiert. Der enge Austausch zwischen Forschern der Volkswirtschaftslehre und des Ingenieurwesens ist daher zentraler Bestandteil des Forschungsbereichs und bildet die direkte Schnittstelle zum Teilbereich Energiemarktdesign.
Unsere Forschung im Bereich Wasserstoffspeicherung
- Technoökonomische Analyse verschiedener Wasserstoffspeicherungs- und -bereitstellungsrouten, insbesondere flüssiger organischer Wasserstoffträger
- Modellbasiertes, ganzheitliches Energiemarktdesign
- Entwicklung von Reaktorkonzepten für die reversible chemische Wasserstoffspeicherung
- Katalysatorentwicklung für die chemische Wasserstoffspeicherung und - freisetzung
- Erprobung und Evaluierung verschiedener Reaktorbeheizungsmöglichkeiten
- Erarbeitung von Konzepten zur Wärmespeicherung und Wärmeintegration in Wasserstoffspeichersystemen
- Entwicklung eines neuartigen Wasserstoffkompressors
- Bau, Betrieb und Optimierung von Speichersystemen
- Entwicklung von stationären Wasserstoff- bzw. Wasserstoff/Methan-Motoren für Blockheizkraftwerke
- Thermodynamische Evaluierung und Optimierung von Energiespeicherprozessen
- Auslegung und Konstruktion von Reaktoren der Energieverfahrenstechnik
- Simulationsgestütze Optimierung von chemischen Reaktoren und Prozessen
- Entwicklung von Anlagen- und Prozesstechnik im Bereich Wasserstofflogistik und Wasserstoffspeicherung
- Simulationsgestütze Optimierung von motorischen Verbrennungsvorgängen
- Umfangreiche Erfahrungen im Bereich Ionischer Kompressoren
- Optimierung prozessinterner Wärmeströme und prozessübergreifender Wärmeintegration
- Mathematische Modellierung von Energiemarktsystemen
- Versuchsanlagen zur reversiblen, chemischen Wasserstoffspeicherung im Labor- und Technikumsmaßstab
- Versuchsanlagen zur thermochemischen Energiespeicherung im Labormaßstab
- Messtechnische Ausstattung zur Erfassung von Oberflächenreaktionen und Adsorptionsprozessen
- Prüfstände zur technischen Evaluierung von Brennersystemen
- Messtechnische Ausstattung zur Erfassung und Optimierung technischer sowie innermotorischer Verbrennungsprozesse
- Analyse und Optimierung von Energieprozessen
- Auslegung von LOHC-Speichersystemen
- Entwicklung von maßgeschneiderter Prozesstechnik für die Wasserstoffspeicherung
- Katalysatorentwicklung für LOHC-Speicheranwendungen
- Bau von Prototypen
- Ökonomische Betrachtung verschiedener Parameter des heutigen und zukünftigen Energiemarktes
- Dezentrale Energie- und Wasserstoffversorgung für private und industrielle Anwendungen, wie zum Beispiel Wasserstofftankstellen
- Transport und Langzeitspeicherung von Energie in Form von Wasserstoff
- Verknüpfung regenerativer Energieerzeugung mit verschiedensten Wasserstoffnutzern
Forschungsprojekte
Der richtige Katalysator ist das Herzstück eines jeden chemischen Prozesses. So auch bei der chemischen Wasserstoffspeicherung. Zur Herstellung klassischre Hydrier- und Dehydrierkatalysatoren werden Edelmetalle wie zum Beispiel Platin, Ruthenium oder Palladium auf einem hochporösen Trägermaterial wie Aluminiumoxid aufgebracht. Jedoch ist kein Katalysator wie der andere und der Schlüssel zur erfolgreichen Reaktion liegt im Detail.
Deshalb wird am Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik intensiv an der Entwicklung neuer Katalysatoren und deren Herstellungsprozessen geforscht. Ziel dieser Forschung sind preiswerte, selektive Katalysatorkonzepte die hohe Speicher- und Freisetzungsraten in Wasserstoffspeicheranlagen ermöglichen.
Insbesondere soll der Edelmetallgehalt der Katalysatoren bei gleichbleibender Aktivität verringert werden. Dies konnte in enger Zusammenarbeit mit Katalysatorherstellern erreicht werden. So sank der Platingehalt der eingesetzten Katalysatoren innerhalb der letzten 5 Jahre auf unter 0,5 Gewichtsprozent. Dies stellt eine Platineinsparung von über 90 % dar - bei gleichbleibend hohem Aktivitätsniveau.
Zudem werden die verwendeten Trägermaterialien genau untersucht und hinsichtlich Porengröße und Oberflächenbeschaffenheit für die Anwendung in den Wasserstoff-Speicheranlagen am Lehrstuhl sowie am Energie Campus optimiert.
Die Wasserstoffspeicherung mittels flüssiger organischer Wasserstoffträger (Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC) stellt an einigen Stellen vollkommen neue Ansprüche an die Reaktionstechnik. Insbesondere die Volumenzunahme durch die Wasserstofffreisetzung - aus einem Milliliter LOHC werden 1,2 Liter Wasserstoff freigesetzt - muss bei Reaktordesign und -konstruktion berücksichtigt werden. Jedoch werden industriell keine Dehydrierungen durchgeführt, bei denen das Ziel eine maximale Gasausbeute ist.
Ebenso gilt es die hohe Reaktionswärme der beiden Reaktionen zu kompensieren. Während die bei der stark exothermen Beladung des Trägers freiwerdende Wärme schnell und zuverlässig abgeführt werden muss, muss bei der Wasserstofffreisetzung darauf geachtet werden, dass der Reaktionsbereich effizient und gleichmäßig mit Prozesswärme versorgt wird.
Reaktoren für die Wasserstoffspeicherung müssen also unter anderen Gesichtspunkten entworfen und skaliert werden, als viele der in der chemischen Industrie verwendeten Reaktoren. Diese Richtlinien und Beziehungen werden am Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik erarbeitet, in Prototypen getestet und spezifiziert. Die Aufgabenbereiche reichen von der rein reaktionstechnischen Betrachtung, über strömungsmechanische Optimierung und Charakterisierung bis hin zur energetischen Simulation ganzer Anlagen.
Aus diesen Arbeiten gingen bereits mehrere Reaktorkonzepte hervor. Der abgebildete Dehydrierer in Plattenbauweise dient in erster Linie zur Untersuchung von überströmten Reaktorschüttungen und der tiefgehenden Analyse der Gasfreisetzung auf makroskopischer Ebene.
Ebenso wurde das sogenannte oneReactor-Konzept entwickelt, bei dem es durch geschicktes Prozessdesign möglich ist, im selben Reaktor und mit Hilfe desselben Katalysators sowohl die Hydrierung als auch die Dehydrierung durchzuführen. Dies ermöglich kompakte, effiziente und dynamische stationäre Speichermöglichkeiten bei deutlich verringerten Investitions- und Betriebskosten.
Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts zwischen Forschern der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften werden synthetische Kraftstoffe hinsichtlich ihrer Eignung als nachhaltige Kraftstoffe für die Mobilität der Zukunft untersucht. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Auswirkungen verschiedener Strommarktdesigns auf die Produktionskosten der Kraftstoffe.
Dabei zeigt sich, dass die Ausgestaltung der Marktregeln sowohl einen erheblichen Einfluss auf die Produktionskosten, als auch auf die optimale Ausgestaltung des Produktionsprozesses haben kann. Regional differenzierte Preise haben dabei das Potential, die Mobilitätskosten um bis zu 40% zu senken. Außerdem konnte gezeigt werden, dass LOHC basierte Wasserstoffmobilität durch hohe Effizienz und Speicherdichte die geringsten Kosten für Mobilität ermöglicht.
Um gasförmige Energieträger wie Wasserstoff transportieren und nutzen zu können, müssen diese stets verdichtet werden. Zwar unterscheidet sich der Zeitpunkt der Verdichtung entlang der Prozesskette sowie das notwendige Druckniveau je nach Transport- oder Speicherkonzept, Verluste sind jedoch unvermeidbar. Insbesondere kann in den meisten Fällen die während der Kompression erzeugte Wärme nur ungenügend genutzt werden.
Bei der Entwicklung neuer, hocheffizienter Kompressionsprozesse beschäftigt sich der Lehrstuhl für Prozessmaschinen und Anlagentechnik (iPAT) daher mit innovativen Konzepten zur Nutzung der Kompressionswärme. Zudem werden Kompressionsprozesse hinsichtlich der Anwendung in der Wasserstoffwirtschaft optimiert.
Hohe Enddrücke von bis zu 1000 bar, wie sie beispielsweise für die Betankung von Wasserstofffahrzeugen nötig sind, bieten dabei besonderes Potential. Zum Einen erfordern derart hohe Drücke die strikte Minimierung von Tot- und Schadraumvolumina im Kompressor. Zum Anderen ist die effiziente Wärmeabfuhr aus dem Kompressionsraum eine große Herausforderung.
Ein am iPAT entwickeltes, neuartiges Kompressorkonzept sieht eine interne Flüssigkeitskühlung im Kompressionskolben vor. Die Kompressionswärme wird hier direkt auf eine Kühlflüssigkeit übertragen, welche genutzt werden kann, um z.B. einen anderen Prozess mit Wärme zu versorgen. In Verbindung mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern wie Dibenzyltoluol, soll so das Trägermaterial direkt für die Freisetzungsreaktion aufgeheizt werden. Da der Flüssigkeitsfilm auf der Kolbenwand außerdem das Schadvolumen auf fast null reduziert, sind so hocheffiziente Kompressionsvorgänge möglich.
Häufig gestellte Fragen zum Thema LOHC Wasserstoffspeicherung
- Elektrische Energie wird in einem Elektrolyseur in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt. Die Energie wird dazu verwendet, um Wasser in die beiden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Der Wasserstoff wird an einem Katalysator unter hohem Druck (bis 50 bar) und hohen Temperaturen (bis 250 °C) mit dem flüssigen organischen Träger in Kontakt gebracht. Durch den Katalysator (Edelmetall wie z.B. Platin oder Ruthenium auf Aluminiumoxid) gehen Wasserstoff und Träger eine kovalente Bindung ein. Der Wasserstoff ist dann fest an den Träger gebunden und kann durch physikalische Effekte nicht wieder gelöst werden. Daher lässt sich der Wasserstoff so zeitlich nahezu unbegrenzt speichern. Dieser Prozess der Hydrierung ist exotherm. Das heißt, Energie in Form von Wärme wird frei!
- Die Freisetzung benötigt ebenfalls einen Katalysator (Edelmetall wie z.B. Platin oder Palladium auf Aluminiumoxid). Entgegen der Hydrierung ist die Dehydrierung endotherm. Hier muss Energie in Form von Wärme zugeführt werden. Ohne den Katalysator und die Zufuhr von Wärme wird kein Wasserstoff freigesetzt. Die Freisetzung findet bei Temperaturen ab 260 °C statt und benötigt keinen Druck. Der freigesetzte Wasserstoff kann entweder stofflich genutzt werden, also in anderen chemischen Prozessen, oder in Energie zurückgewandelt werden.
- Die einzelnen Teilschritte sind in der chemischen Technologie gut verstandene Prozesse. Es mussten lediglich spezielle Apparate und Katalysatoren für diese Anwendung entwickelt werden. Daher gibt es auch bereits eine Ausgründung der FAU, die die Kommerzialisierung der Technologie vorantreibt. Ein erstes Geschäftsfeld ist dort allerdings zunächst nicht die Energiespeicherung sondern vor allem die Wasserstofflogistik.
- LOHC ~ 2 kWh/l bzw. 2 kWh/kg, Diesel etwa ~ 8 kWh/l bzw. 11 kWh/kg, Benzin etwa 7 kWh/l bzw. 11 kWh/kg
- Der Wirkungsgrad der LOHC Freisetzung liegt bei etwa 70 %. Das bedeutet, 30 % der in Form von gespeichertem Wasserstoff eingebrachten Energie wird für den Betrieb benötigt. Genauer gesagt, zum Beheizen des Freisetzungsreaktors. Die Rückverstromung in einer Brennstoffzelle weist einen Wirkungsgrad von etwa 50 % auf.
- Zwar wird Dibenzyltoluol nicht als Gefahrstoff klassifiziert und darf somit in unbegrenzter Menge in herkömmlichen, drucklosen Tanks gelagert und transportiert werden. Es wird jedoch als gewässergefährdend eingestuft, da es nur schwer biologisch abgebaut werden kann. Dibenzyltoluol und dessen Gemische sind nur sehr schwer entzündlich und ansonsten ungiftig.
- Der chemische Name der wasserstoffspeichernden Hauptkomponente ist Dibenzyltoluol. Beim verwendeten LOHC handelt es sich um ein „Isomerengemisch“ von Dibenzyltoluol. Das heißt, dass ein Gemisch aus Molekülen vorliegt, das die gleiche atomare Zusammensetzung („Formel“) besitzt, allerdings in leicht unterschiedlichen Strukturen: Die Ringe und die Methylgruppe haben im Vergleich unterschiedliche Positionen. Das System ist als Wärmeträgeröl z.B. unter dem Markennamen Marlotherm SH oder Dowtherm zugelassen und seit Jahrzehnten in der Industrie im Einsatz.
- Isomere Gemische von Dibenzyltoluol, die auch als Wärmeträgeröl eingesetzt werden, sind ein Produkt der Petrochemie. Sie werden also aktuell noch aus Erdöl hergestellt. Dazu wird als Grundbaustein Toluol verwendet. Als Kohlenwasserstoff könnte Dibenzyltoluol jedoch auch aus nachwachsenden Rohstoffen synthetisiert werden. Wie bei vielen anderen Kohlenwasserstoffen, z.B. in der Kosmetik, ist dies jedoch aktuell nicht wirtschaftlich. Darüber hinaus wird das Medium aber im Prozess so gut wie gar nicht verbraucht und lässt sich sehr oft wiederverwenden.
- Kein chemischer Prozess ist immer 100 % selektiv. Auch bei LOHCs gibt es einen sehr geringen Anteil an Nebenprodukten, der zwar selbst wiederrum Wasserstoff speichern kann, aber die physikochemischen Eigenschaften wie die Dichte oder die Viskosität des LOHCs verändern. Aktuell sind bis zu 100 Zyklen problemlos denkbar, mit weiterer Forschung bis zu 1000 Zyklen. Das Medium ist dann aber nicht kaputt, sondern eben nur so weit verändert, dass bestimmte Parameterbereiche der Anlagen verlassen werden. Es kann dann aufgearbeitet und erneut verwendet werden.
- Der Wirkungsgrad wird vor allem durch die elektrochemischen Bauteile bestimmt. Elektrolyse 70 % (Strom zu Wasserstoff) Brennstoffzelle 50 % (Wasserstoff zu Strom). Damit ergibt sich ein maximaler Wirkungsgrad von 35 % Strom zu Strom. Die Abwärme aus der Beladung lässt sich technisch noch nutzen, zugleich muss aber auch die Wärme für die Entladung bereitgestellt werden. Je nachdem, wie diese Bereitstellung umgesetzt wird, verändert sich auch der Wirkungsgrad. Unter Berücksichtigung der Energiebereitstellung für die Entladung ist es derzeit möglich, 20-25 % des eingespeicherten Stroms wieder zu Strom umzusetzen.
- Die Strom-zu-Strom-Speicherung ist derzeit nicht das Geschäftsmodell, welches Gewinn verspricht. Dafür fehlen zum einen die gesetzlichen Rahmenbedingungen (auf ausgespeicherten Strom muss ebenfalls EEG-Umlage gezahlt werden) und zum anderen ist der Leidensdruck im Markt noch nicht groß genug. Daher ist bisher der gewinnbringendste Einsatzort die Logistik von Wasserstoff. Die Nutzung von LOHCs macht es wesentlich sicherer und günstiger, Wasserstoff über Straße und Schiene zu transportieren, als das mit Flüssiggas-Trailers möglich ist.
- Sobald die Rahmenbedingungen geschaffen sind, ist auch Wasserstoff als Speicheranlage denkbar. Aufgrund der Economy of Scale wird es aber noch lange dauern, bis solche Anlagen in Privathäusern laufen. Zunächst ist die Versorgung von Wohnsiedlungen oder Industrieanlagen wesentlich sinnvoller.
Unseren Forschern über die Schulter geschaut.
Welche Schritte werden durchgeführt, um ein LOHC Speicher vom Labormaßstab bis zur Pilotanlage zu entwickeln? Wo können synthetische Kraftstoffe günstiger hergestellt werden?